Interview mit Dr. Thomas Kroll zur GlaubensFilmWoche

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Bewegte Bilder bewegen und berühren. Das konnten wir Anfang September bei der GlaubensFilmWoche in Hollage erleben. Angeleitet von Dr. Thomas Kroll haben sich die unterschiedlichsten Gruppen unserer Kirchengemeinde getroffen, um über kurze Filme und Filmausschnitte ins Gespräch zu kommen - buchstäblich über Gott und die Welt.

Volker Holtmeyer: Herr Kroll, Sie waren Anfang September acht Tage lang in St. Josef, Hollage zu Gast anlässlich einer GlaubensFilmWoche. Was dürfen wir uns darunter vorstellen?

Thomas Kroll: Die GlaubensFilmWoche steht in der Tradition der sogenannten Gemeindemission. Früher kamen Patres in eine Pfarrgemeinde für eine Intensivzeit zur Glaubenserneuerung. Sie luden ein zu besonderen Gottesdiensten und Gesprächsabenden, predigten ab und an länger und gaben so „von außen“ Anstöße zur Neubesinnung auf ein bewussteres Leben aus dem Glauben. 

Bei der GlaubensFilmWoche geschieht ähnliches, wobei Kurzfilme und Filmausschnitte mal einen Teil der Predigt übernehmen, mal als Impuls dienen zum Nachdenken, vor allem aber einladen zum gemeinsamen Austausch – über Gott und die Welt.

VH: Wie sind sie auf diese Idee gekommen?

ThK: Ich gehe für mein Leben gern ins Kino. Selten sind die Menschen noch so aufmerksam, so von einer Sache gebannt wie in diesem – so nenne ich’s – dunklen Andachtsraum. Dort erlebe ich auf großer Leinwand fesselnde Geschichten mit wichtigen Lebensthemen, die alle Menschen angehen, nicht nur Christinnen und Christen. Und als Theologe entdecke ich in Spielfilmen nicht selten biblische Motive und christliche Symbole. 

All das regt an, darüber miteinander ins Gespräch zu kommen und sich zum Beispiel folgende Fragen zu stellen: Wie hat jede und jeder einzelne die bewegten Bilder erlebt? Was können wir von den Filmfiguren lernen? Und wie ist es bei uns bestellt etwa um Freude und Hoffnung, Trauer und Angst?

Seit Jahren begleite ich daher Menschen bei FilmExerzitien, bilde Lehrerinnen und Lehrer, aber auch Priester sowie pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus: Welche Filme kann man im Religionsunterricht, in der Jugendarbeit, in Konferenzen, bei einer Weihnachtsfeier oder im Gottesdienst gewinnbringend vorführen?

VH: Waren in St. Josef, Hollage Filme etwa auch im Gottesdienst zu sehen?

ThK: Wir sind es gewohnt, dass Künste wie zum Beispiel Musik, Architektur und Malerei in unseren Kirchen eine Rolle spielen. Warum nicht in St. Josef, Hollage nach hundert Jahren auch einmal der sogenannten „siebten Kunst“ einen Raum eröffnen, warum nicht dem Film eine Chance geben?

Und so haben wir nahezu täglich morgens einen halbstündigen FilmGottesdienst gefeiert – mit Impulsen für den Alltag. Zu Beginn und am Ende ein Lied, Zeit der Stille und fürs gemeinsame Gebet. Im Zentrum ein Bibeltext, der mit einem Filmausschnitt verbunden bzw. konfrontiert wurde, dazu einige weiterführende Gedanken.

Sonntags und in der Vorabendmesse war der Filmausschnitt „passgenau“ auf die Lesungstexte hin ausgewählt. Hieß es etwa am Ende im Evangelium „Ebenso herrscht auch bei den Engeln Gottes Freude über einen einzigen Sünder, der umkehrt“ (Lk 15,10), so war von dieser Freude etwas im Gottesdienst zu spüren mithilfe eines Ausschnitts aus dem Film „The Mission“ auf dem großen Fernsehbildschirm.

VH: Sie hatten morgens, mittags, abends Kontakt mit vielen Menschen und Gruppen. Was waren Highlights in der GlaubensFilmWoche?

ThK: Ob Frauenfrühstück, Dienstagstreff, Treffen mit der Hospizgruppe, drei Stunden in der Aula der Angelaschule oder Abende mit KAB, Kolping, Pfarrgemeinderat und Kirchenvorstand, um nur wenige zu nennen, all das werde ich nicht vergessen. Besonders gern denke ich an den Dienstagmorgen, da durfte ich mit einigen Erzieherinnen und vierzig Vorschulkindern zusammen sein. Die eine Hälfte saß auf Stühlen, die andere auf dem Boden Es war faszinierend zu sehen, wie gespannt die Kinder einem Kurzfilm gefolgt sind, wie sie mitunter laut gelacht und wie gut sie sich im Anschluss am Gespräch beteiligt haben. Als nach rund einer Stunde die Konzentration ein wenig nachließ, habe ich spontan mit allen Kindern ein paar Körperübungen gemacht – und schon waren alle wieder bei der Sache und danach voller Aufmerksamkeit für den nächsten Kurzfilm.

Letztes Beispiel: Gegen Ende der Woche füllte sich der Raum im neuen Philip-Neri-Heim mit vielen Sängerinnen und Sängern aus verschiedenen Chören. Nicht nur das Kino, auch das „neue“ Gotteslob bietet viele unentdeckte Schätze. So war das Miteinander, die Mischung aus Gesang und Gebet, Film und Gespräch, ein Geschenk für mich, für alle.

Ich gehe davon aus, dass diejenigen aus Hollage, die sich jetzt noch zur Rom-Wallfahrt der katholischen Pfarreiengemeinschaft anmelden, im kommenden Frühjahr ähnliche Erfahrungen machen auf der gemeinsamen Reise und beim Entdecken der „ewigen Stadt“.

VH: Herr Kroll, Danke für diese Einblicke. Haben Sie zum Schluss noch einen aktuellen Kinotipp für uns?

ThK: Im Sommer konnte ich „Mittagsstunde“ lesen, den wunderbaren Roman von Dörte Hansen. Eine Hauptfigur ist Sönke Feddersen. Den habe ich in mein Herz geschlossen. Kein Intellektueller, kein Kirchgänger. Stur wie ein Findling steht er hinterm Tresen seines Gasthofs. Sönke Feddersens Vorstellung vom strafenden, rechnenden Gott kann ich nicht teilen, dennoch imponiert er mir, hat er schlussendlich doch das Herz auf dem rechten Fleck. Mehr möchte ich hier nicht verraten. 

„Mittagsstunde“ wurde verfilmt und ist seit 22. September 2022 in vielen Kinos zu sehen. Ich empfehle die plattdeutsche Fassung mit Untertiteln. Die Romanverfilmung, ist weniger rau, ist weniger direkt als ihre Vorlage, aber dennoch gelungen. Ein großes Thema ist die Frage der Identität: Wer bin ich, wo komme ich her, wie bin ich geworden? Ein anderes Thema: Wer pflegt mich, wer ist mir zur Seite, wenn ich alt bin? Darüber lohnt sich nachzudenken, sich mit anderen auszutauschen.